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Laudatio 2017

von Prof. Dr. Volker Stich

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Gäste, Preisträger und liebe Jury,

Mein Name ist Volker Stich, ich komme aus Aachen und bin damit schon fast „per Definitionem“ Ingenieur, und ich freue mich als Gast des DiALOG Awards 2017 heute Abend ein paar Worte an Sie richten zu dürfen.

Richtig, wir schreiben das Jahr 2017, und was für eine Revolution, die wir in den letzten 10 Jahren miterleben durften! 

10 Jahre 4. Industrielle Revolution! Was mit dem iPhone erst im Jahre 2006 begann, ist heute ein digitaler Wandel, der sich nicht mehr aufhalten lässt. Alles wird immer digitaler, im privaten wie im beruflichen Umfeld. 

Im Jahre 2008 hatten wir weltweit erstmals mehr mit dem Internet verbundene Geräte als Menschen auf der Erde, damals waren wir etwa 8 Mrd. Nach verschiedenen Prognosen werden bis 2020 etwa 50 Mrd Geräte weltweit mit dem Internet verbunden sein. 

Wenn ich „FRÜHER“ nach Amerika aus der „Telefonzelle“ telefoniert habe, dann hieß es immer „Fasse dich kurz“, da habe ich mich vorher noch gesammelt und wusste genau, was ich sagen wollte, wenn ich mit meiner Freundin gesprochen habe. 

Heute heißt es „always be connected“: 

Die Familie kommuniziert über WhatsApp, Facebook oder über Twitter, genauso wie der amerikanische Präsident, der derart seine nächsten Schritte bekannt gibt. Gestern Abend gab Hillary Clinton sogar dem gerade geschassten FBI Chef Bill Coomey die Schuld an Ihrer Wahlniederlage wegen seiner Ermittlungen in der “Clinton Email Affäre”. 

Stehe ich morgens auf, dann ist das erste was ich anziehe mein Smartphone und das ist auch das letzte was ich abends wieder ausziehe. Undenkbar noch vor 10 Jahren. Aber da habe ich ja auch mein „Handy“ noch zum Telefonieren benutzt und nicht, um meine Emails abzurufen, Nachrichten zu lesen, mich zu erkundigen wie das Wetter ist und vieles mehr. 

Mit welcher Geschwindigkeit dieser Prozess voranschreitet! Geschwindigkeit, „speed“, wie oft hören wir das, geht das nicht alles viel zu schnell? 

Wir haben regelrecht Angst davor, dass uns die Welle an Informationen überflutet, -ohne Struktur, -ohne Prioritäten, -alles schnellt nur in den Glasfaserkabeln an uns vorbei.

Und jetzt können wir ab nächstem Monat auch noch überall in der EU alle Daten ohne Roaminggebühren abrufen. Also sind wir zukünftig noch nicht einmal im Urlaub auf „digitalem Detox“.

Alles geht nur noch schnell, schnell, schnell, keine Strukturen, keine Raster, keine Rahmen, und ein Kauderwelsch aus Abkürzungen. Da kann man schon mal nostalgisch werden. 

FRÜHER…ja früher, war da nicht alles besser? 

Nicht unbedingt, aber sind wir heute tatsächlich produktiver? 

Wir sitzen täglich einsam vor einem Bildschirm und lesen, speichern, löschen und beantworten unzählige Emails und am Ende des Tages fragen wir uns: was habe ich heute eigentlich geschafft? 

Schaut man sich mal die Geschwindigkeit an, wie sich die industriellen Revolutionen bis jetzt vollzogen haben, so fällt eines auf: 

Die erste industrielle Revolution dauerte 60 Jahre, die zweite nur noch 30, die dritte dann nur noch 15 und jetzt haben wir schon 10 Jahre die vierte Revolution. Eine erneute Beschleunigung beim Ablauf gibt es nicht, eher ist diese vierte digitale Revolution so gewaltig, dass man ihr eine ähnliche historische Bedeutsamkeit zuordnen kann, wie der Ersten! 

Industrie 4.0. beschreibt ja nicht weniger als einen fundamentalen Wandel  in Industrie und Gesellschaft, der Flexibilität und Agilität der Arbeitswelt in einem bisher nie dagewesenen Ausmaß. 

Die 4. Industrielle Revolution definiert das Zusammenspiel aus Mensch und Maschine neu, die reine Benutzung der Maschine tritt in den Hintergrund. 

Überlegen Sie mal: Könnten sie heute noch einen Arbeitstag vollbringen ohne die Nutzung irgendeiner Art von digitalen Technologien?

Warum fürchten wir uns also davor, dass uns die Digitalisierung die Arbeit wegnehmen könnte? 

Eigentlich könnten wir uns doch darauf freuen, dass uns vernetzte Maschinen, Roboter und künstliche Intelligenzen die Arbeit abnehmen und es uns damit ermöglichen zu leben, um zu schaffen, statt arbeiten zu müssen, um zu leben. 

Es ist an der Zeit, dass wir diese vierte Revolution selbst aktiv mitgestalten und wir sie nicht uns gestalten lassen oder wir gar auf der Strecke bleiben und nur noch „User“ sind. 

Das bedeutet aber auch, dass die neuen Technologien nicht das eigentliche Problem sind, sondern die Art, wie wir sie nutzen. Folglich müssen wir es schaffen, die Technologien nicht nur passiv, sondern auch aktiv zu nutzen. Dafür sollten wir durchaus ein paar der alten, etablierten Strukturen in unseren Arbeitsalltag wieder integrieren, frei nach dem Motto, das auch diese Veranstaltung prägt: 

„Klartext reden wie zu Omas Zeiten, aber digital denken für die Zukunft.“

Denn die Digitalisierung, die Vernetzung und Automatisierung aller Produktions-, Berufs- und Lebensbereiche, nicht zuletzt mithilfe von intelligenten und lernfähigen Maschinen, schaffen eine grundlegend neue Ausgangslage. Bisher haben die verschiedenen technologischen Sprünge vor allem dazu gedient, Muskel- durch Maschinenkraft zu ersetzen und aus Arbeitern Sachbearbeiter zu machen. 

Digitale Systeme sind nun zunehmend in der Lage, Aufgaben zu übernehmen, die bisher dem menschlichen Intellekt vorbehalten waren. Selbst Experten- und Wissensarbeit, wie sie ein Arzt oder Jurist ausübt, ist vor der Digitalisierung nicht gefeit. Der IBM-Supercomputer Watson kann schon heute Krankheiten besser und vor allem schneller diagnostizieren als jeder Arzt, und schlaue Bots prüfen in Sekundenbruchteilen tausende Vertragsklauseln auf ihre Erfolgswahrscheinlichkeit vor Gericht, derartige Beispiele nehmen aktuell dramatisch an Verbreitung zu.

Also fürchten wir uns davor, dass uns die Digitalisierung die Arbeit wegnimmt – weil die Maschinen, die wir bauen, zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit auch das übernehmen könnten, von dem wir uns einbildeten, dass nur wir allein dazu fähig seien. 

Aber welchen Platz nimmt der Mensch ein in einer zunehmend digitalisierten Welt, in der immer mehr Aufgaben immer lernfähigeren Systemen überlassen werden können? Was hebt ihn von der intelligenten Maschine ab? Was ist dann zukünftig menschlicher Intellekt noch wert? 

Wir werden uns daran gewöhnen müssen, Hand in Hand mit Maschinen zusammenzuarbeiten, aber werden wir dann auch zu prekarisierten «Arbeitsunternehmern», zu zwar selbstständigen und eigenverantwortlichen, aber sozial nicht abgesicherten Söldnern auf Plattformen wie Uber oder Upwork?

 Oder aber zu eher müßigen «Freizeitlern», deren Kaufkraft der Staat mit einem bedingungslosen Einkommen aufrechterhalten muss? 

Es ist keineswegs so, dass uns die industriellen Revolutionen als Homo Sapiens geprägt haben, aber keine prägt uns so stark wie die, in der wir gerade mittendrin sind. 

Aber ist aufgrund der Geschwindigkeit der digitalen Revolution der Homo Sapiens, mit seinen langen Evolutionsphasen zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt in der Lage, dieses unstrukturierte, ohne Prioritäten, Multitasking-erfordernde Internet der Informationen zu bewältigen und produktiv zu nutzen? 

Es hat Jahrtausende gedauert, bis wir vom Körnerfresser zum Fleischfresser wurden. Wie schaffen wir in so kurzer Zeit die Weiterentwicklung zum Homo Digitalis? 

Wenn die Informationsexplosion so weitergeht, dann wird es ja jetzt wirklich Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Wieder mehr Klartext reden, den Menschen in den Fokus rücken. Dieser chaotische digitale Arbeitsalltag muss mehr Struktur haben, um einen reflektierten Umgang mit Informationen zu ermöglichen. 

Momentan bewegen wir uns als Homo Sapiens wie Fremde in einer neuen Stadt und nicht wie Homo Digitalis gut angepasst in dieser digitalen Welt. Wir betrachten also das Neue mit alten Augen und unterschätzen dabei, wie uns diese Entwicklung doch verändert. Dabei bieten uns die neuen Technologien doch so viele Möglichkeiten. 

Bei der Menge an Daten geht es nicht mehr um die Kausalität, sondern um die Korrelation. Es stellt sich die Frage, machen uns die Informationen, so wie wir sie derzeit wie „Messies“ sammeln, nicht chaotischer statt strukturierter und produktiver? Wie können wir die Daten zu Informationen verknüpfen und das Netzwerk aus Informationen produktiv nutzen? 

Wir brauchen nicht nur Big Data, sondern Smart Data, Daten, die auf Nutzen und Nutzung ausgelegt sind und damit sogar eine Verschlankung der Datenmenge zur Folge hat. Die Daten sollten dem Menschen Entscheidungshilfen bieten. Hier steht dann auch wirklich der Mensch im Mittelpunkt. Er muss abgeholt werden, er muss die menschliche Evolution gezielt vorantreiben und mit alten Werten Neues schaffen. 

Das amerikanische „Technikgenie“ und der Augur der digitalen Auswirkung, Ray Kurzweil, spricht bereits vom Menschen als einem biologischen Auslaufmodell. Neben digitaler Technik werden Genetik und Nanotechnik eine Menschheit 2.0 erschaffen. 

Also könnte ein neuer Denkansatz gepaart mit einem Umdenken des Menschen in Hinblick auf die Arbeitsweise in Synergie mit den digitalen Maschinen wahrhaftig die Weiterentwicklung zum Homo Digitalis bedeuten. 

Ich bin gespannt, wie dieser Homo Digitalis letztendlich aussehen wird. Ein erster Schritt dahin ist die Erarbeitung von Lösungsansätzen mit EIM-Enterprise Information Management. 

Der DiALOG-Award setzt hier den richtigen Akzent, die kreativen Projekte der Preisträger sind ein Schritt in die richtige Richtung. 

Herzlichen Glückwunsch zum DiALOG-Award!

Ich wünsche Ihnen Allen einen schönen, informellen und gut strukturierten Abend.