Responsive Image

Laudatio 2018

von Andreas Weiss

Liebe Gäste, liebe Nominierte und Preisträger, liebe Expertinnen und Experten,

ich freue mich sehr, im Rahmen dieses Dialog Kongresses die Laudatio für den Dialog Award 2018 halten zu dürfen. Mein Name ist Andreas Weiss und ich leite beim eco Verband der Internetwirtschaft den Bereich Digitale Geschäftsmodelle und seit mehreren Jahren den zugehörigen Fachverband EuroCloud Deutschland.

Persönlich habe ich schon eine lange Reise mit Computern und digitaler Informationsverarbeitung hinter mir. Die Lochkarten blieben mir zum Glück erspart, mein Einstieg war der Commodore 64, wobei der Locher besonders beliebt war, weil ich damit die Diskettenkapazität von 170 KB auf das Doppelte erhöhen konnte.

Die Onlinewelt erreichte ich mit dem Akustikkoppler und einer Verbindung mit 1200 Baud -– die 170 KB der Diskette so zu übertragen dauerte etwa eine halbe Stunde (heute sind das mit 4G nur noch 0,2 Sekunden und mit 5G wird das Ganze noch 100-mal schneller).

Nicht immer waren alle Erfahrungen positiv. So resultierte in den frühen Neunzigern mein Einstieg in das World Wide Web auch mal in unerfreulichen Rechnungen über mehrere tausend D-Mark, weil der Internetrouter falsch konfiguriert war.

Es hat mich aber nicht abgehalten, die Reise weiter zu beschreiten, denn gerade inhaltlich war es eine extrem spannende Entwicklung:

  • die Nutzung von Remote Services zur Steuerung entfernter Systeme,
  • der Aufstieg von E-Commerce, E-Procurement, E-Business (mit einer kleinen Delle zur Jahrtausendwende),
  • und dann der Einzug von Smartphones, Cloud und die nächste digitale Transformation, in der wir uns gerade befinden.

Die Gesellschaft zwischen 0 und 1

Wer also wie ich den steten Wandel der Informationstechnologie verfolgt und die damit möglichen Lösungen gestaltet hat, der hat Spaß am Neuen und fühlt sich mit den Veränderungen wohl – wenn sie sinnvoll sind und die Aufgaben dadurch einfacher, schneller und günstiger erledigt werden können.

Ich bin immer dafür, monotone und zeitintensive Abläufe zu automatisieren, weil es Lebenszeit freigibt. Manche Menschen sind aber wesentlich skeptischer und zurückhaltender.

Technologische Veränderungen gab es schon immer, doch die Unternehmen hatten meist angemessen Zeit, sich sukzessive darauf einzustellen. Über mehrere Dekaden konnten sie sich anpassen, ohne substanzielle negative Effekte zu erleiden.

Die Welt war also in Ordnung, solange IT als Dienstleister für die Unternehmen und Menschen funktionierte. Heute betrachten sich viele als Getriebene der Informationsgesellschaft, privat, beruflich, in allen Lebenslagen.

Im Zeitalter der Digitalisierung wird das Zeitfenster immer enger und der Handlungsdruck ungleich größer. Wir haben lange über die Sinnhaftigkeit der Cloud diskutiert und dabei Gründe gesucht, sie nicht zu nutzen.

Dabei wurden technische und rechtliche Bedenken und generell die Frage der Sicherheit der Daten in den Vordergrund gerückt. Mit der Diskussion um die Digitalisierung sprechen wir aber nun über die eigentlichen Fragen: Wie stellt sich die Wirtschaft auf die geänderten Rahmenbedingungen im Welthandel von Gütern und Dienstleistungen ein und wie wird die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit gesichert?

Der Weg aus dem Digitalisierungs-Echoraum.

Ich unterstelle mal, dass alle hier Anwesenden dem Thema Digitalisierung unvoreingenommen, zumindest aber interessiert, gegenüberstehen. Wir sind interessiert an modernen Arbeitsabläufen, mobilem Arbeiten und wahlfreien Endgeräten, Sprachassistenten und Smart Home. Vielleicht sogar an Künstlicher Intelligenz, dem Internet der Dinge, Augmented Reality, Blockchain und vielem mehr.

Aber wir müssen daran denken, dass wir damit eine klare Minderheit sind und oftmals den Perspektivwechsel zu den nicht IT-affinen Menschen versäumen. 

Das gilt auch in einer Zeit, in der nahezu jeder sein Smartphone als Alltagsgegenstand akzeptiert hat.

Vieles, was für uns aus dem IT-Sektor selbstverständlich, logisch, sinnvoll erscheint, bereitet dennoch der Mehrheit oftmals Unbehagen und führt zur Ablehnung bis hin zu existentiellen Ängsten, wenn es zum Beispiel um den eigenen Arbeitsplatz geht.

Eine der großen Herausforderungen ist es, darzustellen, welche Vorteile die Nutzung der digitalen Technologien mit sich bringen und wie wir gemeinschaftlich mit den Bedenken und Risken umgehen. Dabei sollten wir uns immer vor Augen führen, Gesellschaft ist viel mehr, als zu bloggen, zu posten, Daten zu sammeln und auszuwerten, Anlagen zu steuern und Wertschöpfung zu generieren.

Es bleibt also immer wichtig, den Kontext darzustellen und die Sinnhaftigkeit zu belegen. Lassen Sie mich ein kleines Beispiel anführen:

Wir sind als eco Verband Teil eines Projektes mit dem Namen „Smart Service Power“. Leider hat man sich recht früh auf diese angelsächsische Worthülse festgelegt, aber die Projektunterzeile ist dann doch zu verstehen:

„Wie kann ich im Alter möglichst lange autonom und selbstbestimmt Zuhause leben, mit der Sicherheit eines Seniorenheims?“

Ich bin mir sicher, die meisten haben sich auf die eine oder andere Weise schon mal mit dieser Frage auseinandergesetzt oder können leicht nachvollziehen, dass sie für einen großen Teil unserer Gesellschaft eine Relevanz hat.

Und was steckt dahinter? Eine ganze Menge Elemente, mit denen Digitalisierung umgesetzt wird: Cloud, Big Data, KI, IoT und vieles mehr. Es geht im Kern darum, Daten zu erheben, intelligent zu vernetzen und auszuwerten, damit Services proaktiv angeboten oder sogar automatisch ausgelöst werden können. Das ist wieder Informationstechnologie, aber ein nicht unerheblicher Teil des Projektaufwands geht zudem in die Fragestellung: Was ist datenschutzrechtlich zulässig?

Was können wir, was wollen wir?

Immerhin geht es bei dem Projekt um sensible persönliche Daten und das ruft selbstverständlich Datenschützer auf den Plan. Diese versuchen zum Teil pauschale Einschränkungen durch Regulierung durchzusetzen, da die möglichen Auswirkungen oftmals noch gar nicht absehbar sind.

Wir müssen aber genauer und differenzierter hinschauen, welche Datenanalysen einen Mehrwert erbringen können und dabei auch den davon betroffenen Personen ein Selbstbestimmungsrecht einräumen. Wer erklärt einem Krebspatienten, dass eine Studie oder Therapie an den Fallstricken einer komplexen Datenschutzregelung scheitert? Wie wollen wir weniger Verkehrstote erreichen, ohne dass Daten und Algorithmen zum Einsatz kommen, die natürlich auch temporär eine individuelle Zuordnung von Personen, Orten und weiteren Informationen ermöglichen?

Wenn wir also heute über Innovation, neue Arbeitswelten und Veränderung reden, dann sollten wir auch unsere Verantwortung sehen, diese für die Betroffenen sinnvoll und maßvoll zu gestalten.

Smart ist, wenn es jeder versteht.

An dieser Stelle zitiere ich die Sprecherin eines Pflegedienstes aus dem Projekt Smart Service Power: „Die Technik soll sich an unsere Kunden anpassen, nicht umgekehrt“.

Genau in diese Richtung geht auch der Anspruch des DIALOG Awards mit dem Ziel: „Mensch, Prozess und Verständlichkeit im Einklang mit dem technologischen Fortschritt und dem Focus auf Kommunikation, Erkennung von Potenzialen und stetiger Verbesserung zu bringen.“ Prämiert werden Lösungen, die als zukunftsorientierte Struktur- und Anwenderkonzepte zu einer nachhaltigen Verbesserung der administrativen Unternehmensprozesse beitragen. Das Enterprise Information Management verfolgt den klaren, nicht technologischen Ansatz, dass die IT allein nicht alle Probleme lösen kann. Entscheidend ist kluges, langfristiges und verantwortungsbewusstes Handeln, Arbeiten und Entwickeln im Einklang mit der IT.

Es geht also längst nicht mehr darum, „einfach“ Prozesse zu optimieren. Vielmehr wird IT eingesetzt, um Menschen zu unterstützen und dabei die Wertschöpfung zu verbessern. Das ist wesentlich herausfordernder und es bedarf Mut und Fingerspitzengefühl, einen konsequenten Modernisierungsweg zu beschreiten.

Die diesjährigen Preisträger haben die Jury davon überzeugt, dass sie diesen Weg erfolgreich gehen und dabei den digitalen Wandel nicht nur leben. Sie verbessern mit ihren eindrucksvollen Lösungen die Unternehmensprozesse nachhaltig und das im Sinne derjenigen, die es betrifft, sei es als Akteure, Nutznießer oder Entscheider. Hierzu meine herzlichen Glückwünsche!

Gleichzeitig aber auch mein Appell an uns alle, diesen Anspruch nicht aus den Augen zu verlieren. Smart ist, wenn es jeder versteht und das Anwendungsspektrum ist riesig, liegt es doch irgendwo zwischen:

„Das Internet ist Neuland“ – wie es Angela Merkel 2013 erklärte –

und

„Im Jahr 2029 werden Computer alles können, was auch Menschen können – nur besser.“ wie Ray Kurzweil, Chefingenieur bei Google und ausgezeichnet mit 19 Ehrendoktorwürden, 2017 prognostizierte.

Informationen von heute für die Entscheidungen von morgen

Eines ist auf jeden Fall sicher, wer seine Informationen im Unternehmen nicht im Griff hat – und dabei spreche ich nicht von den Zahlen aus dem Controlling und der Buchhaltung – der wird in dieser immer schneller getakteten Welt Schwierigkeiten haben, sachlich begründete Unternehmensentscheidungen zu treffen. Also freuen wir uns darüber, dass es intelligente Systeme zum Management von Informationen gibt, die es uns erleichtern, Entscheidungen für morgen zu treffen.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche den Preisträgern, dass sie ihren Weg so erfolgreich fortsetzen und uns allen, dass wir künftig noch viele weitere innovative Konzepte für den digitalen Wandel erleben.